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DIE MODERNE: EINE STRASSE INS NICHTS?

Die Zerstörung jeglichen ästhetischen Empfindens und insbesondere des griechisch‑römischen Kunstsinnes, dessen Erbe das christliche Abendland war, ist Ziel und Motivation der Pionieraktionen der Dadabewegung in der Zeit des 1. Weltkriges mit den Zentren Zürich und New York. Die Methode der dadaistischen Negativ-Revolution kann und will zum greco-romanischen Harmonieverständnis keine kulturelle Alternative schaffen ( z. B. einer neuen lebendigen Kunst, die nicht auf dem hellenistischen Harmonieprinzipien basiert ). Ein alternatives Kunstkonzept wurde erst von Andre' Breton und Salvator Dali durch die surrealistischen Manifeste der Kritischen Paranoia und des Psychischen Automatismus' ab Mitte der zwanziger Jahre entwickelt. Dies folgte auch zum Bruch zwischen Breton und Tzara, die bis zu diesem Zeitpunkt am selben Strang zogen: Der Zerstörung der Kunst und seiner Auflösung. Tristan Tzara in 'seinen Manifesten':

„Ich zerstöre die Gehirnkästen und die der sozialen Organisation. Überall demoralisieren, den Menschen vom Himmel in die Hölle werfen, die Augen von der Hölle in den Himmel, das furchtbare Rad des Weltzirkus wieder aufrichten in den realen Mächten und in der Phantasie jeden Individuums.“ „Ordnung ‑ Unordnung; Ich = Nicht Ich; Bejahung = Verneinung: höchste Ausstrahlung absoluter Kunst, absolut in Reinheit geordnetes Chaos ‑ ewig in Sekunden kugeln ohne Damm, ohne Atem, ohne Licht, ohne Kontrolle ‑ ich liebe ein altes Werk um seiner Neuheit willen. Es ist nur der Kontrast, der uns an die Vergangenheit bindet.“ Und im Dada Manifest von 1918 heißt es:“ Dada bedeutet nichts. Dada ist im Munde hergestellt." Kunst wird einschlafen. Kunst-Papageien-Geschwafel, ersetzt durch Dada. Kunst muß operiert werden. Kunst ist ein besonderer Anspruch, erwärmt durch Schüchternheit des Blasensystems, Hysterie, im Atelier geboren."

Wenn man sich die sehr ernst gemeinten Zielsetzungen der modernen Pioniere, die ja kein literarisches Postulat blieben, sondern weltweit von New York, Paris, Barcelona bis Berlin etc. paradoxer Weise in Kulturveranstaltungen ausgelebt wurden ( und noch immer werden ), innerlich vor Augen führt, so erhebt sich die berechtigte Frage: Was für eine Qualität hätte diese kunstlose, ästhetiklose antibürgerliche Anarchie in der es selbst diese Frage der Qualität nicht mehr zu denken wäre. Hans Richter beschreibt diesen inneren Zustand der Isolierung von Ästhetik, Ethik, Lebenssinn, ja der Isolierung des empfindenen Menschen von seinen geistigen Inhalten so: " Die Kunst ist 'zu Ende gedacht', in Nichts aufgelöst. Das Nihil ist alles, was bleibt. Eine Illusion ist mit Hilfe der Logik beseitigt. An Stelle der 'Illusion' ist ein Vakuum getreten, das weder moralische noch ethische Qualitäten hat. Es ist die Deklaration des NICHTS, die weder zynisch noch bedauernd ist. Es ist eine Entfesselung, mit der man sich abzufinden hat! Eine Entdeckung von Tatsachen, die mehr konstatiert als herbeigeführt zu sein scheinen. Duchamp nennt deshalb, um selbst einer negativen Stellung der Kunst gegenüber auszuweichen seine Haltung nicht  Anti-Kunst sondern A-Kunst. Das Äquivalent der A-Kunst ist eine A-Moral, eben eine Entleerung nicht nur der Kunst sondern auch des Lebens von seelischen Inhalten. Damit hat Duchamp zwar einen logischen und deshalb notwendigen, aber auch fatalen Schritt getan. Er hat die Grenzpfähle der Werte umgesteckt und zwar so, daß sie überall ins Nichts führen. “Absoluter Nihilismus als Weltanschauung und Weltdeutung ist das geistige Fundament der Moderne, der jede lebensbejahende Regung verdächtig ist. Den Platz, den Picabia der Kunst zugewiesen hatte, war sozusagen nur ein Loch im Nichts.“ Dazu ein Manifest Picabias, der von einer überschäumenden Lebensverneinung in der eine totale Kunstverneinung eingeschlossen war dynamisch angetrieben wurde: „Jede Seite soll explodieren, entweder durch das Ernsthafte, tief und schwer, oder durch den Aufruhr, oder durch die Übelkeit, das Neue, das Ewige, oder durch vernichtenden Unsinn, durch den Enthusiasmus der Prinzipien oder durch die Art und Weise, wie sie gedruckt wird. Die Kunst soll der Höhepunkt der Unästhetik werden, unnütz und durch nichts zu rechtfertigen.“ (Kunst und Antikunst, Hans Richter). Die Moderne kann verkürzt ausgedrückt als Experiment des autonomen Menschen betrachtet werden, außer dem Ich und seiner Eitelkeit nichts mehr gelten zu lassen.

In Russland um 1917 vertrat der Konstruktivismus als Avantgarde eine ähnliche Rolle unter Wladimir Tatlin. Auch da sollte die Kunst total abgeschafft werden. Man vertrat die Überzeugung, der Künstler müsse zum Techniker in einer technologischen Gesellschaft werden und sich der Werkzeuge und Materialien der neuen Produktion zum segen aller bedienen. " Unser Konstruktivismus hat der Kunst den bedingungslosen Krig erklärt; denn die Mittel und Qualitäten der Kunst sind nicht in der Lage, die Gefühle einer revolutionären Umwelt zu systematisieren. ( Alexej Gan 1920 ) In Italien wurden in der Bewegung des Futurismus ähnliche Anschauungen vertreten: " Wir behaupten, daß der Glanz der Welt durch eine neue Schönheit bereichert worden ist: die Schönheit der Schnelligkeit. Ein Rennautomobil ist schöner als die Nike von Samothrake." Und weiter: " Schönheit existiert nur im Kampf. Ein nicht aggressives Werk kann kein Meisterwerk sein. Kunst muß aufgefaßt werden als heftiger Angriff gegen die Kräfte des Unbekannten, die dem Menschen zu unterwerfen sind." ( F.T. Marinetti 1909 ). Der Futurismus spiegelt genau den aggressiven und Geist wieder, der die internationale Avantgarde in den Jahren vor den 1. Weltkrieg kennzeichnet. Diese Avantgarde wird in ganz Europa von einem absoluten Destruktionswillen getrieben. Die Haltung des Künstlers wird eindeutig barbarisch, brutal primitiv und zerstörerisch - nicht positiv umwandelnd evolutionär ! Die Vertreter der Moderne überschlugen sich förmlich in dem Wunsch, das ganze soziale Gefüge Europas möge über ihren Häuptern zusammenbrechen.

Die Moderne ist eine Kunst nihilistischer Weltanschaung weiter zu Surrealismus